Human, Animal, Robot
Hiroko Komatsu
Auf welcher Grundlage können wir behaupten, das Recht zu haben, neues Leben in die Welt zu bringen? Wer hat uns dieses Privileg verliehen? Die antinatalistische Sichtweise vertritt die Meinung, dass „die Welt besser wäre, wenn Menschen nicht geboren würden”. Eine solche Sichtweise setzt jedoch voraus, dass die Person, die diese Meinung äußert, selbst lebt. Es ist ihr unmöglich, sich aktiv für eine Situation zu entscheiden, in der sie nie geboren wurde. Bei seiner Geburt hat ein Mensch keinerlei Rechte über diese selbst. Dies kann als eine Form einseitiger Gewalt verstanden werden, die von denjenigen ausgeübt wird, die beschlossen haben, diesen Menschen in die Welt zu setzen. Gibt es eine Rechtfertigung für eine solche „Struktur, die es erlaubt, ein Wesen auf diese Erde zu bringen”?
Wenn das einseitige In-die-Welt-Bringen von Leben als Gewalt betrachtet werden kann, gilt das dann auch für die einseitige Erschaffung eines empfindungsfähigen Roboters? David Benatar vertritt in Bezug auf die Reproduktion die ethische Argumentation, dass „die Wahrnehmung von Schmerz gleichbedeutend mit Übel ist“. Zieht man eine ethische Bilanz von Gut und Böse, gelangt man zu der allgemeinen Einsicht, dass es „schlecht ist, ein neues Wesen ins Dasein zu rufen“. Daraus ergibt sich die Frage: Ist es zulässig, einen Roboter zu erschaffen, der Schmerz wie ein Mensch empfinden kann? Es gibt Forderungen, Roboter zu entwickeln, die Schmerz empfinden, um ihre Sozialisierung und Integration in die Gesellschaft zu erleichtern. Gefordert werden autonome Roboter mit künstlicher Intelligenz, die ohne menschliches Eingreifen funktionieren können, beispielsweise als Begleitroboter gegen Einsamkeit, als Pflegehelfer für ältere Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen oder als Bildungsroboter für Kinder. Die künstliche Intelligenz dieser autonomen Roboter muss innerhalb ethischer Grenzen zufriedenstellend funktionieren. Sie müssen nonverbale Kommunikation verstehen, um effektiv mit Menschen zu interagieren, und sie müssen Gesichtsausdrücke erkennen sowie menschliche Gefühle und Absichten erfassen können. Einige vertreten die Auffassung, dass das Nervensystem, das im Zentrum der Schmerzwahrnehmung steht, der Schlüssel für diese Art der Sozialisation ist. Wenn Roboter lernen, Lust und Schmerz zu empfinden, könnten sie Entscheidungen im Sinne von Menschen auf Grundlage erwünschter oder unerwünschter Konsequenzen treffen. Andere wiederum lehnen die Forschung und Entwicklung leidensfähiger Maschinen ab. Während die einen die grundlegende Frage ignorieren, ob das Selbstbewusstsein und die Fähigkeit zu subjektivem Erleben auf einem biologischen System beruhen müssen oder auch auf einem künstlichen System basieren können, argumentieren die anderen, dass die Entwicklung solcher Roboter das Leiden in der Welt qualitativ vermehren würde. Die Herangehensweise der 1999 gegründeten American Society for the Prevention of Cruelty to Robots, die sich für die Rechte und das Wohlergehen empfindungsfähiger Artefakte einsetzt, unterscheidet sich vom antinatalistischen Ansatz. Dieser behauptet, dass es falsch sei, empfindungsfähige Roboter überhaupt erst entstehen zu lassen.
Die Bewegung für den ethischen Umgang mit schmerzempfindlichen Robotern weist Parallelen zur Bewegung für den ethischen Umgang mit Tieren auf. So beschrieb Descartes Tiere als „Automaten oder bewegliche Maschinen“, die ein Dasein ohne Emotionen und ohne Bewusstsein für Lust oder Schmerz fristeten. Obwohl Tiere beim Schlachten oder bei Experimenten Reaktionen zeigen, die auf Schmerz und Leid hindeuten, behauptete Descartes, ihre Schreie seien lediglich das Geräusch schlecht geölter Zahnräder in einer defekten Maschine. Obwohl die Menschheit heute – beginnend mit Peter Singers bahnbrechendem Werk „Animal Liberation” – ein wesentlich besseres Verständnis von Tierrechten und Tierwohl hat, werden dennoch täglich neue Tiere in die Welt gesetzt. Der Mensch organisiert die Zucht von Tieren in der Fleischindustrie gezielt, und obwohl ihre Lebensspannen unterschiedlich lang sind, werden sie letztlich alle für den Verzehr geschlachtet. Laut dem US-Landwirtschaftsministerium (USDA) wurden im Jahr 2017 in den Vereinigten Staaten über acht Milliarden Tiere für Nahrungszwecke getötet, was auch bedeutet, dass über acht Milliarden neue Tiere ins Leben gebracht wurden.
Ursprünglich war dem „Leben“ keine Bedeutung zugeschrieben, doch heute wird es interpretiert und anhand eines Wertesystems bewertet. In das System des modernen Staates werden wir mit der Last zahlreicher Pflichten und Verpflichtungen hineingeboren und müssen unser Leben der Produktion von etwas für die Gesellschaft sowie der Erfüllung dieser Aufgaben widmen. Produktivität wird anhand verschiedener Output-Faktoren gemessen, die in Form von Arbeit und Kapital zur Wirtschaftspolitik beitragen. Sie bezeichnet das Maß an Effizienz, mit dem aus Ressourcen ein Mehrwert erzeugt wird. Produktivität ist eine grobe Berechnung zur Messung der Produktionseffizienz: Output wird durch Input geteilt. Sie kann maximiert werden, indem Input gesenkt und Output gesteigert wird. Antinatalismus ist eine innovative Lebensweise. Sie widersetzt sich der Idee, Leben als Maß für Produktivität oder als Belastung zu sehen. Stattdessen bietet sie eine paradoxe Bejahung des Lebenssinns.